Martin: Hallo Marco, du hast nun insgesamt zehn Jahre in der ersten und zweiten Regionalliga Training gegeben. Wie viel Wert hast du auf Taktiken gelegt?
Von daher führten die Taktiken dazu, dass bestimmte Abschlüsse für bestimmte Spieler möglich wurden, die ohne ein System nicht in der Lage gewesen wären, sich diesen selber zu erarbeiten. Was ja eigentlich auch nicht Sinn und Zweck des Sports Basketball ist, aber dennoch oft vorzufinden ist.
Wenn wir an die 1. BBL denken, dann müssen ca. 10 eingekaufte Leute, die sich nicht kennen, innerhalb der Saisonvorbereitung von im Schnitt 10 Wochen zu einem Team zusammenwachsen. Und das bedeutet auch, dass die miteinander spielen können. Darauf zu warten, dass die Leute sich so gut kennen, dass man intuitiv spielen kann oder mit wenigen Vorgaben, würde viel zu lange dauern. Also setzt man Systeme ein. Ein weiterer Grund ist der, dass in höheren Ligen die individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Spieler sich fast aufheben. Auf jeden Fall wird es nicht wie in der Jugend sein, wo ein talentierter Spieler z.B. auf Grund seiner Schnelligkeit immer in der Lage sein wird, alleine zum Korb zu ziehen. Die Spieler in höheren Ligen heben sich in ihren Eigenschaften meist auf, insofern machen die Taktiken dann den Unterschied.
Und der letzte, wichtige Grund ist, dass man mit Hilfe von Taktiken die Stärken bestimmter Spieler besser hervorheben kann, als ohne Taktiken. Ich möchte aber gerne nach diesem kleinen Exkurs zur eigentlichen Frage zurückkommen. Wenn wir Taktiken als eine relativ statische Abfolge von Pässen, Bewegungen usw. unabhängig von der Anzahl der einzelnen Elemente definieren, dann wäre ein simples Pick & Roll schon eine Taktik. Davon ausgehend, dass es sich hierbei um eine Taktik oder ein kleines System handelt, würde ich sagen, dass es Sinn macht, ab der U14 mit Taktiken zu beginnen. Wobei das natürlich mit absoluter Vorsicht zu genießen ist! Wenn ein Team erst in einer U14 gegründet wurde, dann stehen andere Aspekte im Vordergrund. Die Spieler sollten schon ca. fünf Jahre Basketball spielen und bestimmte Basics verinnerlicht haben. Anders formuliert könnte man auch sagen, es macht dann Sinn mit Taktiken zu beginnen, wenn Attribute wie Schnelligkeit und eine bessere technische Ausbildung nicht mehr Spiel entscheidend sind. Das kann bei dem einen oder anderen Team auch schon recht früh der Fall sein. Denn immer wenn ein Team Nachteile kompensieren muss, dann muss es auch was haben, womit es diese kompensieren kann. Das könnten auch Taktiken sein. Unabhängig von den oben beschriebenen Gründen sollten die Spieler aber irgendwann Taktiken erlernen, weil es den Basketball-IQ fördert und das Verständnis für diesen Sport.
Martin: Wenn ich nun mit Taktiken beginnen möchte, wie finde ich dann heraus, welches System zu meinem Team passt? Wie kann ich das herausfinden?
Auch ein kleines Einwurfsystem in jungen Jahren kann schon Wunder bewirken. Wenn es sich um solch relativ einfachen Systeme handelt, dann würde ich mich so weit vorwagen und behaupten, dass man das mit jedem Team machen kann.
Wenn dann komplexere Taktiken eingeführt werden sollen, dann kann man es einfach nur ausprobieren, wenn man nicht über einen immensen Erfahrungsschatz verfügt und das Team auch schon mit Systemen vorbelastet ist, sprich Kenntnisse im Durchführen von Systemen hat.
Ich kann immer nur dazu raten ganz einfach zu beginnen. Es bringt nichts ein System zu spielen, weil es cool ist oder ähnliches. Das System soll in der Saison auch einen Nutzen erfüllen und das wird nur dann der Fall sein, wenn man es ausreichend übt, die Spieler es alle verstanden haben und fast intuitiv (ohne weiteres Nachdenken) mit Game-Speed durchlaufen können.
Also es muss erst mal gewährleistet sein, dass alle anderen wichtigen Trainingsinhalte trainiert werden können und dann kann ich mich den Taktiken widmen. Bei oben genanntem Szenario würde ich ca. 10-15 Minuten pro Trainingseinheit auf Taktiken verwenden, auf gar keinen Fall mehr. Und in 10-15 Minuten kann ich vielleicht drei bis vier Systeme durchlaufen lassen, korrigieren usw. Wenn man wie wir pro Woche 6 Stunden Training hatte, dann stehen einem natürlich andere Möglichkeiten zur Verfügung. Wir haben ca. 1,5 Stunden pro Woche auf das Üben von Taktiken verwendet. Wobei das natürlich das ständige Durchlaufen, anpassen auf den Gegner usw. beinhaltet. Oftmals haben wir auch nur einzelne Abschnitte eines Systems geübt. Ich habe die Systeme manchmal im 5 gegen 0 Full Court von einer Seite zur anderen Seite als Warm-up durchlaufen lassen oder im 5 gegen 5 mit bestimmten Vorgaben und einem definierten Zeitrahmen. Teilweise haben wir auch einzelne Aspekte im 3 gegen 3 oder 2 gegen 2 geübt. Das hing auch damit zusammen, wie viele Leute beim Training waren und ob Systeme Fehler aufwiesen und einer genaueren Betrachtung / Verbesserung unterzogen werden sollten, oder nur als Routine durchlaufen werden sollten.
Martin: Bei Systemen denken die Meisten immer an Set-Plays für die normale Offense, aber es gibt ja noch andere Systeme wie beispielsweise Einwurfsysteme, durch die man zu Punkten kommen kann. Wie wichtig findest du Einwurfsysteme? Gibt es eigentlich effektive Einwurfsysteme gegen eine Zonenverteidigung?
Daher hatten wir auch insgesamt sechs Einwurfsysteme. Drei gegen Manndeckung und drei gegen Zone. Im Schnitt haben wir pro Spiel ca. acht Punkte aus diesen Situationen erzielt.
In der Tat sind effektive Einwurfsysteme gegen eine Zone schwieriger, als gegen eine Manndeckung, aber auch gegen die Zone gibt es gute Einwurfsysteme mit einem hohen Wirkungsgrad. Das folgende System haben wir auch in der 1. Regionalliga mit viel Erfolg gespielt:
Martin: Welchen Unterschied gibt es zwischen Taktiken in der Bundesliga und Taktiken in zum Beispiel der Oberliga?
Während in der Oberliga die Spieler den Block auf eine vorher festgelegte Art und Weise verteidigen (persönliche Anmerkung: und selbst das funktioniert nicht immer richtig), ist in der Bundesliga entscheidend, welcher Spieler den Ball hat und wo der Block gestellt wird. Bei einem High-Screen Pick & Roll, das drei bis vier Meter oberhalb der Dreierlinie stattfindet, wird der geblockte Spieler immer unter dem Block langgehen und so den Spieler mit Ball auf dem Weg zum Korb abfangen können.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Spieler mit Ball hinter den Block abstoppt und wirft, ist aus dieser Entfernung äußerst gering. Findet eben diese Situation aber auf Höhe der Dreierlinie statt und der Blocknutzer ist ein Spieler, der auch gut werfen kann, so wird mit einem Switching oder Hedge & Back verteidigt, um auch den Wurf zu verhindern. Wird der Block nun auf dem Flügel an der Dreierlinie gestellt, so reagieren einige Teams mit einem Hedge & Trap darauf, da sie mit Hilfe der Seitenlinie den ballführenden Spieler dort gut doppeln können. Allein an diesem Beispiel sieht man, dass das taktische Repertoire ein ganz anderes ist, als in einer Oberliga. Die Spieler müssen abhängig von Gegenspieler und dem Ort schnell miteinander kommunizieren und die richtige Blockverteidigung anwenden. Das zieht sich dann natürlich durch alle anderen Systemen fort.
Martin: Vielen Dank für das Gespräch. Dann werde ich mal versuchen, mein eigenes System zu entwerfen (schmunzel). Ich freue mich schon auf das nächste Interview.