Martin: Hallo Sebastian, es freut mich, dass wir uns jetzt schon zum 2. Interview treffen. Fangen wir erst mal mit der Teaminternen Kommunikation an. Wie kann der Coach an der Seitenlinie während des Spiels seine Spieler erreichen? Was für Infos kommen an, welche kommen oft nicht an? Wie wichtig sind abgesprochene Stichworte?
Sebastian: Eine Vorrausetzung für das Erreichen eines Spielers ist seine Aufmerksamkeit. Sprich, der Spieler muss bereit sein mir zu zuhören und die Möglichkeit haben, Inhalte zu verarbeiten. Somit sollten Spielunterbrechungen (z.B. Freiwürfe, Auszeiten) genutzt werden, um dem Spieler weitere Anweisungen zu geben. Jedem Trainer sollte dabei jedoch bewusst sein, dass wir nur eine begrenzte Kapazität für eingehende Informationen besitzen. Diese Kapazität ist durch Stress, Nervosität oder körperliche Betätigung zusätzlich eingeschränkt. Und jeder kennt das, dass ein Spieler denselben Fehler erneut macht, obwohl man ihm kurz zuvor gesagt hat, was er machen soll…
Eine gute Möglichkeit, um sicher zu gehen, dass der Spieler auch die Information aufnimmt und auf das Spielfeld bringt, ist ihn selbst durch Fragen die Lösung finden zu lassen. Dafür ist natürlich ein entsprechendes Zeitfenster nötig, aber es lohnt sich. Durch das Nachdenken über die Situation und das Finden der eigenen Lösung ist diese stärker im Bewusstsein verankert und die Umsetzung ist naheliegender. Beispielhaft könnte man folgende Fragen stellen „was war gerade in der Verteidigung gut und was könntest du besser machen?“ oder „was hätte gerade anders laufen müssen und wie erreichst du das?“. Ich selbst habe mit dieser Art des Coachings sehr gute Erfahrungen gemacht.
Leider gibt es oftmals aber die Situation, dass wir nicht die Zeit haben, mit den Spielern die Lösung zu erarbeiten. Dann müssen kurze prägnante Aussagen gegeben werden. Diese Aussagen sollten auf die zukünftige Handlung konzentriert sein. Also was soll der Spieler anders machen (z.B. „Mitte zu“). Dabei sollten Keywords verwendet werden, die der Spieler gut aus dem Training kennt, um die Verarbeitung zu erleichtern. Zudem sind maximal zwei Informationen zu geben. In stressigen Situationen können nicht viel mehr Infos behalten und umgesetzt werden. Hier gilt weniger ist mehr!
Da wir Menschen in Bildern denken, sollte zudem eine bildhafte Sprache („Stehen wie eine Wand“) genutzt und negative Formulierungen vermieden werden, da in stressigen Situationen (körperliche Belastung, Wettkampf) eine Umformulierung nicht stattfinden kann. So wird aus „Lass ihn nicht über die Mitte“ plötzlich „Lass ihn über die Mitte“.
Martin: Was ist dafür noch notwendig?
Sebastian: Ich denke, die Grundvoraussetzung für Coaching ist eine gute Vertrauensbasis und Beziehung zwischen Trainer und Spielern. Denn eigentlich gilt ja „Der Spieler entscheidet, ob Coaching stattfindet“. Wenn der Spieler nicht zuhören will, so findet auch kein Coaching statt. Der Trainer sollte somit stets bemüht sein, dass seine Informationen in der richtigen Weise an die Spieler getragen werden. Ich sehe noch oft, dass Trainer respektlos mit den Spielern reden und sich wundern, dass die Spieler die Inhalte nicht oder nur zögerlich umsetzen. Da sollte der Trainer sich selbst fragen, wann er für Feedback offen ist und wie er erwartet, dass dieses an ihn ran getragen wird.
Martin: Jetzt mal umgekehrt. Ein Spieler auf dem Feld möchte seine Eindrücke dem Trainer mitteilen, wie macht er das am besten?
Sebastian: Das kann je nach Trainer und Struktur innerhalb einer Mannschaft eine schwierige Situation darstellen. Ich kann hier einem Spieler nur anraten, einen angemessenen Moment und einen angemessenen Ton zu wählen. Sprich in einer Spielunterbrechung zum Coach zu gehen und seine Eindrücke zu schildern. Dabei sollten Fragen bzw. Kommunikationsregeln (Erst etwas positives, dann die Veränderung) verwendet werden, um den Inhalt an den Trainer ran zu tragen und zu verhindern, dass er direkt auf Widerstand geht. Beispielhaft wäre „Coach, ich verstehe, dass wir mit Man-to-Man ganz gut spielen können, aber wäre eine Zone nicht gerade sinnvoll?“. Auch hier gilt, dass die Verpackung der Info entscheidend ist, ob der Gegenüber zu hört.
Martin: Was ist an Kommunikation innerhalb der fünf Spieler, die sich gerade auf dem Feld befinden sinnvoll und was gehört da nicht hin? Darf dort jeder Spieler den anderen kritisieren oder ist das ausschließlich die Sache des Coaches bzw. vielleicht noch des Kapitäns?
Sebastian: Eine positive Stimmung im Team ist notwendig, damit die bestmögliche Leistung abgerufen werden kann. Somit hat negative Kritik nichts auf dem Spielfeld zu suchen. Vielmehr sollten hier motivierende bzw. konstruktive Kommunikationsformen stattfinden. Klare Ansagen während des Spiels von allen Spielern sind definitiv zielführend (z.B. „Help“). Wer Veränderungen auf dem Spielfeld vorgibt oder anspricht hängt allerdings stark von den Spielertypen und der Struktur im Team ab. Gleichzeitig ist die Philosophie des Trainers entscheidend.
Martin: Was für eine Wirkung hat es auf Mitspieler, wenn ein Spieler auf dem Feld rumschreit und lautstark seine Meinung über Situationen oder Fehler seiner Teamkollegen auf dem Spielfeld kund tut? Hilft das irgendjemandem?
Sebastian: Es gibt einen schönen Satz, dass das Team nur so stark ist, wie sein schwächstes Glied. Ein Spieler der sich lautstark über Situationen oder Fehler beschwert schwächt sein Team auf unterschiedlichsten Ebenen. Zum einen ist sein eigener Fokus nicht mehr auf dem Wesentlichen im Spiel. Zum anderen lenkt er seine Mitspieler ebenfalls auf negative Dinge und eine Negativspirale kann einsetzen. Negative Gefühle und Emotionen sind zudem sehr schädlich für sportliche Leistung. Sie können zwar Energie spenden, verursachen aber eine Blindheit für Entscheidungen (z.B. ein wütender Spieler geht mit dem Kopf durch die Wand) und auf Dauer Unzufriedenheit, worunter die Leistungsfähigkeit leidet. Zudem ist negative Stimmung Gift für jedes Teamgefüge. Der eine Spieler hört auf zurück zu laufen, dann überlegt der andere, wieso er noch zur Hilfe gehen sollte usw. Eine positive Atmosphäre auf dem Spielfeld und im Team ist folglich sehr wichtig damit alle Leistung bringen können und vor allem wollen.
Zu allem Überfluss kann ein Eindruckseffekt beim Gegner entstehen, der diesen stark macht. Der Eindruck, dass der Gegner intern Probleme hat bzw. das eigene Spiel den Gegner „nervt“ kann als zusätzlicher Motivator fungieren.
Ein Spieler sollte sich daher die Frage stellen, ob ihm das Aufregen in dieser Situation weiterbringt oder was in dieser Situation sinnvoller ist. Zudem sollten Strategien entwickelt werden, wie der Spieler seinen Fokus wieder auf das Spiel richtet und positiv bleibt (z.B. Selbstgesprächstechniken). Dazu veröffentliche ich demnächst mit dem DBB zusammen eine Handreichung für Trainer mit Übungen, die exakt diese Thematik ins Training integriert (Basketball-Talente: Übungsübersicht zum psychologischen Training im Basketball von Altfeld, Langenkamp und Kellmann).
Martin: Wie kann ich als Spieler einen anderen Spieler erreichen, um ihm Tipps zu geben bzw. ihn nach einer schlechten Aktion wieder aufzumuntern? Die eigenen Spieler stark machen, muss ja eigentlich die Aufgabe aller Mitspieler sein!
Sebastian: So sieht es aus. Da kann ich jedem Team raten, im Vorfeld mal zu fragen, was jeder Spieler braucht. So verhindert man schädliche Konflikte in entscheidenden Phasen. Der eine Spieler möchte nach einer schlechten Aktion beispielsweise keinen Zuspruch, da er es lieber mit sich selbst aus machen möchte. Der andere benötigt diesen Zuspruch aber sehr.
Ansonsten macht bei Tipps auch wieder der Ton die Musik. Es ist kritisch einen Mitspieler negativ zu kritisieren, weil er dadurch eher Widerstand aufbaut oder gar seine Spannung verliert. Das Einhalten von allgemeinen Feedbackregeln ist oftmals sinnvoll. Dabei sollte zunächst was Positives genannt werden, worauf im Anschluss ein Vorschlag oder ein Veränderungswunsch folgt. Als Beispiel könnte man sagen „Du bist ein echt guter Verteidiger. Aber versuch nächstes Mal doch noch einen größeren Schritt raus zumachen, damit mir mehr Zeit bleibt zurück zu kommen. Wäre das möglich?“.
Martin: Was sollen Bankspieler zur Kommunikation beitragen oder ist da nur anfeuern angesagt?
Sebastian: Zuspruch und das Geben von Tipps kann auch hier sinnvoll sein. Wenn einem Mitspieler etwas auffällt, dient es doch eigentlich nur dem Team und der Entwicklung, wenn er dies im passenden Moment in angemessener Form dem Mitspieler mitteilt oder?
Martin: So jetzt haben wir Teamintern schon einiges Besprochen. Fällt dir noch etwas ein, was man in dem Zusammenhang noch erwähnen sollte?
Sebastian: In Bezug auf die Kommunikation kann ich nur nochmals herausstellen, dass der Gegenüber entscheidet ob Kommunikation oder Coaching stattfindet. Ich muss somit durch meine Art und meine Verpackung der Message erreichen, dass der andere mir zu hören möchte.
Martin: Kommen wir jetzt mal zu den Schiedsrichtern. Du betreust ja die Schiedsrichter des Westdeutschen Baskebtall Verband als Sportpsychologe und kannst dazu bestimmt einige Hinweise geben. Was für Möglichkeiten habe ich als Trainer mit dem Schiedsrichter zu reden? Wie teile ich ihm eine – meiner Meinung – falsche Entscheidung mit?
Sebastian: Zunächst sollte mir persönlich klar sein, dass meine Sicht, nicht der Sicht des Schiedsrichters entsprechen muss. Durch Perspektive, Erwartungen und Wahrnehmungsfehler ist der Blick aller Beteiligten immer individuell und spiegelt nur die eigene Realität wider. Etwas was für mich als Foul wirkt, muss für den Schiedsrichter nicht dasselbe darstellen. Dieser erste Schritt ist schon mal die Grundlage, dass ich eine angemessene Reaktion im Umgang folgen lasse.
Ansonsten gilt hier exakt dasselbe wie oben. Wie würde ich reagieren, wenn ich im vorbeilaufen von der Seite permanent kritisiert oder gerufen werde? Ich würde Widerstand aufbauen und wäre nicht offen für konstruktive Kommunikation. Hier kann ich als Tipp geben, in einer Spielunterbrechung den Schiedsrichter freundlich zu fragen bzw. um ein Feedback zum Pfiff zu bitten. Wenn ich dann den Eindruck habe, dass etwas anders laufen sollte, kann ich dies als Frage bzw. Wunsch formulieren. Dadurch wird die Offenheit beim Gegenüber geschaffen auch darauf einzugehen (z.B.“ Wäre es möglich, bei den nächsten Angriffen auf die 3-Sekunden zu achten?“). Ein höflicher und positiver Umgang öffnet hier schneller Türen als Kritik und Druck.
Martin: Wie sollte ein Schiedsrichter mir Trainern umgehen? Sollte er bereit sein, seine Sicht zu einer Entscheidung mitzuteilen oder den Trainer ignorieren?
Sebastian: Bei unseren Fortbildungen war dies ein wichtiges Thema. Ich denke, dass gegenseitiger Respekt und Akzeptanz eine sehr wichtige Grundlage darstellen. Ein Schiedsrichter sollte demnach Verständnis für einen Trainer und dessen Emotionen aufbringen und sich im Klaren sein, dass dieser ebenfalls eine „eigene Perspektive“ hat. Wenn sich also ein Trainer über einen Pfiff aufregt, kann es sein, dass der Trainer natürlich denkt, dass er im Recht ist. Natürlich darf ein Trainer eine bestimme Grenze nicht überschreiten, aber ein Schiedsrichter sollte zunächst die Perspektive des Trainers nachvollziehen. Ignorieren oder Übergehen dieser Tatsache führt dann zudem dazu, dass der Trainer sich ungerecht behandelt führt. Dies kann dann zu weiteren Wahrnehmungsverzerrungen in Bezug auf folgende Pfiffe und zu lauteren Kommentaren führen. Daher ist es sinnvoller aus Schiedsrichtersicht sich kurz den Trainer anzuhören und womöglich eine kurze Erklärung zu geben. Dies fördert Verständnis und Akzeptanz. Damit ist nicht gemeint, dass das Spiel in eine Gesprächsrunde verwandelt werden soll, aber dem Gegenüber auf positive Weise verstehen zu geben, dass ich mir seine Sicht anhöre und ihn ernst nehme, ist schon eine sehr gute präventive Strategie.
Martin: Wie kann ich als Trainer den Schiedsrichter erreichen, wenn ich der Meinung bin, dass man Team nicht fair behandelt wird?
Sebastian: An dieser Stelle sollte ich zunächst überprüfen, wodurch mir dieses Gefühl vermittelt wird. Liegt es an der Anzahl der Fouls, an bestimmten Situationen? Wie möchte ich schildern, was ich mir anders Wünsche, wenn ich nicht weiß woran das liegt? Und vielleicht stelle ich dann fest, dass es nur mein persönliches Gefühl ist und gar nicht der Realität entspricht. Sollte es jedoch tatsächlich der Fall sein, dass die Schiedsrichter bestimmte Situationen ungleich bewerten, so bringt es erneut wenig, mit der Tür ins Haus zu fallen. Ich würde in dieser Situation raten, den Schiedsrichter höflich nach einem kurzen Gespräch zu fragen und in einer Spielunterbrechung dann in ruhigen Worten das persönliche Empfinden zu schildern.
Martin: Sollte es überhaupt eine Kommunikation zwischen Schiedsrichtern und Spielern geben? In strittigen Situationen wird man als Spieler ja ohnehin nie etwas beim Schiri erreichen, richtig?
Sebastian: Das würde ich nicht pauschalisieren. Nur macht es wenig Sinn, lautstark nach einer Entscheidung auf den Schiedsrichter einzureden, da ich dadurch eine Widerstand-/Verteidigungsreaktion erzeugen könnte. Kommunikation dient der Spielatmosphäre und wenn ich als Spieler einen Pfiff nicht verstehe ist das höfliche Fragen in einer anschließenden ruhigen Minute eher sinnvoll oder? Gleichzeitig sind auch Schiedsrichter angehalten, Spielern strittige Situationen kurz zu erläutern, um so negative Entwicklungen bei dem Spieler entgegenzuwirken.
Martin: Jetzt sind wir schon wieder am Ende des Interviews angekommen. Vielen Dank und vielleicht bis zum nächsten Mal!
Sebastian: Ich danke auch herzlich. Ich freue mich schon auf das nächste Mal.
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