Im 6. Interview geht es diesmal um eines der wichtigsten Themen im Basketball: Der Defense. Da dieser Bereich einfach zu umfangreich ist, wollen wir uns diesmal hauptsächlich um die individuellen Fähigkeiten eines Basketballspielers kümmern und den Bereich „Teamdefense“ weitestgehend außen vor lassen.
Martin: Hallo Marco, heute habe ich mir ein Thema herausgesucht mit dem sich jeder Trainer und Spieler im Basketball auseinandersetzen muss. Im Basketball muss man im Gegensatz zum Fußball, sowohl offensiv als auch defensiv im gleichen Maße als Spieler agieren können. Bei mir im Team ist es immer so, dass ein Spieler sich zunächst in der Defense beweisen muss, um Spielminuten zu bekommen. Wer vorne keine oder wenige Punkte macht, ist je nach Teamzusammensetzung zu verschmerzen, aber in der Defense muss es halt passen. Wie siehst Du das?
Marco: Hallo Martin, ich bin gespannt was da heute alles auf mich zukommen wird. Deine erste Frage ist ja noch sehr gnädig (grinst dabei).
Sicherlich ist es im Basketball nicht so speziell wie beim Fußball aber auch beim Basketball haben bestimmte Spieler verschiedene Rollen auszufüllen. Habe beispielsweise einen Dennis Rodman im Team der alleine schon in Schnitt 15 Rebounds holt, dann können sich andere Spieler dementsprechend mehr um andere Aufgaben kümmern. Vieles hängt auch von der Philosophie des Coaches und von der Teamzusammenstellung ab. Wenn ich zwei gute Center habe, dann entlastet den Rest des Teams, die sich dann z.B. nur noch um das Ausboxen kümmern müssen. Noch ein anderes Beispiel. Der Coach möchte unbedingt viele erfolgreiche Fastbreaks laufen. Folglich muss er ein oder zwei Spieler mehr oder weniger vom Rebounding befreien damit diese sich schon weiter nach vorne orientieren können.
Grundsätzlich stimmt es aber, dass jeder zurücklaufen und verteidigen muss und nicht wie beim Fußball an der Mittellinie stehen bleibt und wartet bis der Ball wieder nach vorne gespielt wird.
Allerdings würde ich nicht die Einsatzzeiten von der Leistung in der Defense abhängig machen. Das mag im Jugendbereich noch eine geeignete erzieherische Maßnahme darstellen ist aber im Seniorenbereich nicht mehr praktikabel, zumal dort auch jeder verstanden haben sollte was wichtig ist und was nicht. Bei meinem Team war die Rollenverteilung klar und auch absolut gleich gewertet. Ich hatte eine Spielerin, die zwar nur 1,74 lang war, aber enorm springen konnte und einfach ein „Defense Tier“ war. Und sie erwartete, wenn sie den Rebound holte und den Fastbreak initiierte, dass spätestens nach zwei Dribblings jemand frei war, nach dem Ball rief und dann vorne auch die Punkte in Überzahl erzielte. Genauso wie die Spielerinnen, die Fastbreaks laufen wollten, den Rebound erwarteten. Es hat zwar zwei oder drei Jahre gedauert, bis jeder verstanden hatte, dass der Rebound genauso viel zählt wie die zwei Punkte, die daraus resultierten, aber letztlich hat es jeder wirklich verstanden. Als Coach darf man nicht den Fehler begehen sich nur über Punkte zu freuen oder in Spielbesprechungen die Punkte hauptsächlich zu thematisieren. Die Punkte stehen ohnehin auf dem Bogen und sind immer Gespräch unter der Dusche. Egal bei welchem Team. Ich habe immer mehr über Rebounds, Turnover usw. gesprochen. Mein Team merkte dann recht schnell, dass ich auf Punkte nicht den Wert lege wie viele andere Coaches. Und als Spieler ist es immer einfacher sich noch mal aufzuraffen und mit den letzten Kräften zu punkten als gleiches für einen Rebound zu machen. Letztlich haben wir die knappen Spiele auch gewonnen, weil wir keine second Chance Points zuließen.
Martin: Ich unterbreche dich ja nur ungern, aber darf ich eigentlich noch weitere Fragen stellen oder erzählst du jetzt alles, was du weißt am Stück? (lacht dabei) Ok, fangen wir mal mit den technischen Basics an, über die ein Spieler verfügen muss. Das ist ja deutlich mehr als nur ein paar Push-Steps oder?
Marco: Das will ich ganz stark hoffen, dass da mehr ist, ansonsten habe ich den letzten Jahren deutlich zu viel Zeit auf die Defense verwendet (beide lachen los).
Nein, im Ernst. Push-Steps sind sehr wichtig. Einer der Gründe warum wir immer Zone gespielt haben, waren die Push-Steps. Das soll nicht heißen, dass meine Spielerinnen die nicht konnten, aber ich hatte zu viele Spielerinnen, die bei enger Manndeckung im One on One zu oft geschlagen wurden. Somit war klar, dass wir ständig in der Helpside agieren mussten und das wiederum bedeutete, dass auf der Weakside an der Dreierlinie ständig die Dreierschützen frei waren. Es ist unheimlich schwer seinen direkten Gegenspieler mit Ball alleine zu stoppen. Und in der 1. Regionalliga gab es ständig Teams, die sich aus dem Kader der 1. DBBL noch bedienen konnten oder ehemalige Bundesligaspielerinnen in ihren Reihen hatten. Diese Problematik führt uns zu einer meiner persönlichen Regeln. „Hast du zwei oder mehr Spieler auf dem Feld, die nicht oder nur schlecht am Ball verteidigen können, dann stelle um auf Zone“. Es ist einfach nicht möglich diesen Nachteil in der Defense mit den restlichen Spielern zu kompensieren. Voraussetzung ist natürlich, dass die Offense auch ihre Vorteile aus dieser Gegebenheit zieht. Wenn das One on One auf diesen Positionen nicht forciert wird, dann wirkt sich der Nachteil nicht dramatisch aus und man kann auch weiterhin Manndeckung spielen. Spielt der Gegner z.B. nur Sets, bei denen Spieler durch etliche Blöcke geschickt werden, dann spielt die Verteidigung am Ball keine wesentliche Rolle. Spielt der Gegner aber z.B. eine 5 out Motion Offense oder die Dribble Drive Motion Offense, dann heißt es Zone spielen. So, damit du mich nicht gleich wieder unterbrichst kehre ich zur Frage zurück. Zu den technischen Basics gehören meines Erachtens neben den Push-Steps noch der Release-Step, Swing-Step, peripheres Sehen, Close-outs (also Kurzsprints) Stotter-Steps (schnelles Abstoppen), die Wurfverteidigung, das Boxing out und der Rebound.
Martin: Ich möchte noch kurz bei den Push-Steps bleiben. Was muss ein Spieler beachten, damit er mit Push-Steps gut verteidigen kann?
Marco: Ich gehe einfach mal davon aus, dass die Leser wissen, dass man einen niedrigen Schwerpunkt haben muss usw. daher möchte ich auf andere Aspekte eingehen, die vielleicht weniger bekannt sind. Spieler, die gut am Ball verteidigen können haben die folgenden Fähigkeiten. Sie besitzen eine hervorragende Reaktionsgeschwindigkeit, verfügen über ausreichend Kraft und Schnelligkeit und bringen einiges an Erfahrung mit. Letzteres ist ein ganz wesentlicher Faktor in der Defense, insbesondere wenn es um Fakes geht.
Der mit Abstand wichtigste Faktor ist aber sich selber richtig einschätzen zu können. Das betrifft das Positioning. Viele Trainer brüllen immer ihre Spieler an, dass sie enger verteidigen sollen, mehr Druck ausüben sollen usw. Es mag durchaus sein, dass es auch faule Spieler gibt, die verteidigen können, es aber nicht wollen und dann zurecht angeschrien werden, aber darauf möchte ich nicht eingehen. Bei jedem höherklassigen Team wissen die Spieler einfach wie dicht sie stehen können und wer gut verteidigen kann, wird auch eng verteidigen. Er weiß ja, dass er das kann und die Schnelligkeit usw. besitzt. Spieler, die weiter wegstehen, machen dies aber, weil sie wissen, dass sie sonst geschlagen werden. Insofern ist das ein- oder abschätzen des richtigen Abstands zum Gegenspieler der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Defense.
Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen. Aber das sind kalkulierte Ausnahmen. Nehmen wir an, dass der Gegner über einen ehemaligen Bundesligaspieler verfügt, der ganz hervorragend von außen wirft und ich als Coach möchte unbedingt vermeiden, dass dieser Spieler ins Spiel kommt und wie gewohnt seine Punkte erzielt (Pers. Anmerkung: Meist zieht es auch das ganze gegnerische Team mit, wenn solche Leute heiß laufen. Auch deswegen sollte dies verhindert werden.), also stelle ich ihm einen Spieler meines Teams gegenüber, der eng verteidigt und über den er auch nicht hinwegwerfen kann. Nun wird dieser Spieler sicherlich des Öfteren im Drive geschlagen. Das nehme ich aber bewusst in Kauf und positioniere meine Helpside dementsprechend. Letztlich ist es immer ein Abwägen von Risiken. Es gibt keine Defense, die Punkte verhindert. Sonst würden im Basketball ja nicht so viele Körbe fallen. Bei der Defense geht es darum es dem Gegner so schwer wie möglich zu machen. Ihm Würfe zu geben, die er eigentlich nicht will usw.
Martin: Um diese technischen Basics im Spiel umzusetzen sind, wie du schon sagtest, Kondition und die nötige Kraft wichtig. Was muss man, um seine Spieler gut vorzubereiten?
Marco: Im professionellen Bereich wird so ziemlich jede Konditionsart (Schnelligkeitstraining, Maximalkraft usw.) isoliert trainiert und dann im Training unter Livebedingungen angewendet. Wenn man diese Möglichkeiten nicht hat, muss man dementsprechende Drills machen, die einen hohen spezifisch-konditionellen Anteil haben, um die nötige Muskulatur aufzubauen. Viele Übungen, auch Kraftübungen, lassen sich mit wenigen Mitteln in der Halle realisieren. Wenn man nicht die notwendige Zeit dafür aufbringen kann, dann werden Defense-Drills gelaufen und als Coach muss man dann auf die genaue Ausführung achten. Beispiel. Ein Spieler hat keinen niedrigen Schwerpunkt bei der Verteidigung am Ball, ich nenne das, dass „straight legs“-Syndrom, dann muss man als Coach immer und immer wieder darauf hinweisen.
Martin: Ziel muss es ja sein, das ein Spieler wenigstens 24 Sekunden am Stück eine gute Defense spielen kann und das möglichst in jeder Verteidigungssequenz, die er auf dem Feld ist. Wie kann man es erreichen, dass ein Spieler nicht nach 15 oder 20 Sekunden nachlässig wird?
Marco: Wenn du mit nachlässig meinst, dass er die Konzentration verliert, dann muss der Coach auf diesen Spieler vermehrt achten und ihn sofort darauf aufmerksam machen, wenn er merkt, dass dieser Spieler in der Defense anfängt zu träumen.
Falls du mit nachlässig meinst, dass der Spieler keine ausreichende Kondition hat, dann muss im Training vermehrt daran gearbeitet werden.
Martin: Entscheidend ist insbesondere bei der Verteidigung der Forwards und Guards Schnelligkeit und Reaktionsvermögen, um den Gegenspieler stoppen zu können. Hast Du da Tipps für die anderen Coaches, wie man diesen Bereich trainieren kann?
Marco: Eine wichtige Fähigkeit fehlt noch. Die Spieler müssen das nicht nur drei oder viermal machen, sondern an die 40 mal pro Spiel. Das heißt, dass sie eine enorme Schnelligkeitsausdauer und Kraftausdauer haben müssen.
Bei den Seals haben wir mit der SPARQ Serie gearbeitet. Um Reaktionsvermögen zu trainieren haben wir mit dem Cut’n Reaction Belt trainiert und dem Reaction Ball.
Schnelligkeit haben wir mit dem Launch Belt , dem Shaw 360 und der Speed-Ladder trainiert. Um mal ein Beispiele zu nennen. In den Videos sieht man auch zwei meiner Spielerinnen.
Martin: In der Defense gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder mein Gegenspieler hat den Ball oder er soll ihn gar nicht bekommen. Fangen wir mal mit dem ersten Teil an: Was sagst Du einem Spieler, wie er den Spieler mit Ball verteidigen soll?
Marco: So gut er es kann. Und nach den vom Coach festgelegten Regeln. Die Aussage „so gut er es kann“ bezieht sich auf die obige Aussagen, dass ein Spieler selber wissen und entscheiden muss wie z.B. dicht er verteidigen kann usw. Technisch gesehen sollte er einen niedrigen Schwerpunkt haben, um schnellstmöglich sich in eine Richtung bewegen zu können. Die Arme sind weit auseinander und nach vorne gestreckt, also im 45 Grad Winkel zum Körper auf Höhe der Hüfte des Gegners. Die Position der Füße ist „squared up“ also kein Fuß ist dem Gegner dichter das der andere. Der vordere Fuß wird sonst meist im Drive geschlagen. Auch wenn der Ball über dem Kopf des Gegner ist, bleibt der Verteidiger tief und richtet sich nicht auf, da er sonst wieder im Drive geschlagen wird.
„Nach den Regeln des Coaches“ bedeutet, dass der Spieler wenn er z.B. einen Flügel, der den Ball auf der Flügelposition bekommt verteidigt diesem nur den Drive zur Baseline gibt, aber nicht zur Mitte. Dementsprechend muss der Verteidiger ein wenig höher stehen. Also mit dem Rücken ungefähr zur Freiwurflinie ausgerichtet und nicht mehr zum Korb. Gleiches gilt dann natürlich für andere oder weitere Regeln.
Martin: Ok, jetzt der 2. Teil, der von vielen Spielern gerne etwas vernachlässigt wird: Wie soll ein Spieler ohne Ball verteidigt werden?
Marco: In erster Linie gar nicht, da solche Spieler sich in der Helpside befinden und nicht direkt bei ihrem Gegner. Der Spieler mit Ball ist meist wichtiger (Ich sage hier bewusst nicht immer, weil das sonst ein Freifahrtschein für Spieler ohne Ball wäre) als ein Spieler ohne Ball. Wichtig ist es den direkten Gegenspieler immer im Blick zu haben und seine Position in der Defense ständig an neue Situationen anzupassen. Wichtig wird die Verteidigung am Spieler ohne Ball erst, wenn es zu einer Blocksituation kommt oder der Gegenspieler Cuts läuft.
Martin: Wie wichtig ist es Passwege zu verteidigen?
Marco: Das ist so wichtig, wie es der Coach einstuft. Also eine Philosophiefrage. Es macht durchaus Sinn zu verhindern, dass bestimmte Spieler den Ball bekommen. Ich würde aber nie soweit gehen und alle Spieler im Passweg verteidigen lassen, denn irgendeiner schläft immer mal und wird dann Backdoor geschlagen.
Viele Coaches wollen ja auch immer, dass ihre Center den offensiven Center „fronten“ und damit das Anspiel verhindern. Ich würde das nie machen. Meine Center haben immer dahinter verteidigt. Und dafür gibt es sehr gute Gründe. Zum einen ist mein Spieler dann, vom Korb aus betrachtet, hinter dem offensiven Center. Er hat damit also eine wesentlich schlechtere Reboundposition. Sollte mein Spieler mal zu langsam sein, dann bekommt der offensive Center den Ball und mein Spieler, der einen Schritt zu langsam ist, rennt ins Leere. Also einfache Punkte zugelassen. Durch einen Rückpass vom Flügel zum Point Guard kann der offensive Center meinen Spieler „sealen“ und direkt vom Point Guard für einen Korbleger angepasst werden.
Und schlussendlich ist immer noch ein Lobpass möglich. Wenn die Helpside mal nicht rechtzeitig reagiert sind das schon wieder einfache Punkte.
Ich kann nur raten, dass man sich als Coach intensiv darüber Gedanken macht ob und wann Passwege verteidigt werden und ganz besonders wichtig: Berücksichtig in welcher Liga man spielt und was das eigene Team auch umsetzen kann. Es gibt schon zu viele Coaches, die unbedingt pressen wollen und das auch machen, obwohl sie kein Team dafür haben. Gute Teams werden eine Presse fast immer überspielen und die schlechten Teams hätte man auch ohne Presse geschlagen. Ich kann nur jedem Coach immer wieder raten über sich, seine Philosophie und sein Team nachzudenken.
Martin: Wie wichtig ist es deiner Meinung nach die Offensivmannschaft durch „bumpen“ in ihren Laufwegen zu stören? Erklär doch bitte kurz mal den Begriff „Bumpen“…
Marco: Bumpen meint das kurzzeitige Blockieren eines offensiven Spielers in dem der Verteidiger sich in seinen Laufweg stellt und legalen Kontakt aufnimmt.
Und meiner Meinung nach ist das überhaupt nicht wichtig. Im Gegenteil sogar. Es gehört zu den unwichtigsten Aspekten im Basketball.
Meiner Meinung nach gibt es nur eine einzige Situation, wo das Bumpen überhaupt Sinn machen könnte. Und das ist eine „indirekter Block-Situation.“
Ich möchte aber noch erklären warum ich dem Bumpen nichts abgewinnen kann. Als regelkundiger Coach sollte man folgendes wissen (Ich habe das extra noch mal nachgeschlagen in den offizielle FIBA Regeln 04/2010):
Art 33.4: „The player with the ball must expect to be guarded and must be prepared to stop or change his direction whenever an opponent takes an initial legal guarding position in front of him, even if this is done within a fraction of a second.“
Mit dieser Regeländerung sollte ja unter anderem der Jump-Penetration vergebeugt werden. Es sollte also nicht mehr so sein, dass man sich als ballführender Spieler alles erlauben konnte ohne mit einem Offensiv-Foul bestraft zu werden. Leider wird diese Regel viel zu selten angewendet.
Wichtiger ist aber der folgende Auszug.
Art 33.5 „When guarding a player who does not control the ball, the elements of time and distance shall apply. A defensive player cannot take a position so near and/or so
quickly in the path of a moving opponent that the latter does not have sufficient time
or distance either to stop or change his direction.“
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass hiermit zwei Schritte, jedoch niemals weniger als ein Schritt gemeint sind. Wenn diese Regel mal konsequent angewendet würde, dann würde fast jedes Bumpen – schätzungsweise >90% – einen Regelverstoß darstellen.
Des Weiteren eröffnet jedes Bumpen immer die Möglichkeit Backdoor zu gehen, da der Verteidiger zu weit rauskommt um in den Laufwerk der Offense zu gelangen. Und ein -vielleicht nur für mich – persönlicher Grund. Es macht den Sport absolut unästethisch. Wer sich ständig anderen Leuten in den Weg stellen will, der sollte zum American Football wechseln.
Martin: Ein ganz wichtiger Bestandteil der Defense ist der Rebound. Ein Gerücht, das sich unter vielen Guards und Forward hartnäckig hält, ist, dass dafür nur die Center zuständig sind. Was hast Du zu dem Thema Defensiv- Rebound und ausboxen zu sagen?
Marco: Da wir immer Zone gespielt haben, war für mich das Positioning immer wichtiger als das Ausboxen. Ich möchte nicht, dass meine Spieler irgendwo hinlaufen, wo der Ball nie runterkommen wird, aber ein Gegenspieler steht, den sie ausboxen können.
Wer rebounden soll und wer nicht hängt von der Ausrichtung des Teams ab und von den Regeln des Coaches. Bei einem kleinen Team macht es sicherlich Sinn mit allen Spielern zu rebounden. Dann wird aber meist nichts mehr aus dem Fastbreak. Bei Teams mit drei starken Reboundern kann man auch zwei kleinere Positionen schon vorrücken lassen oder in der Outlet-Area Position beziehen lassen.
Martin: Kommen wir noch mal zur 1-1 Situation. Was sagst Du einem Spieler, damit er nicht auf die Fakes seines Gegners reinfällt. Worauf soll er achten?
Marco: Da kann man seinen Spielern wenig mit auf den Weg geben. Da spielt sehr viel Erfahrung mit rein. Letztlich kann man das als Coach nur verhindern, wenn man seinen Spielern z.B. sagt: „Du verteidigst den Wurf erst, wenn der Werfer schon dabei ist zu werfen.“ oder „du machst erst einen Push-Step, wenn der Ball schon gedribbelt wurde“.
Martin: Und wie sollen die Spieler einen Wurf des Gegenspielers stören?
Marco: Ich glaube das Wichtigste ist, dass ein Verteidiger an dem Werfer dran ist oder in unmittelbarer Nähe zu diesem steht. Zunächst sollte die Anzahl der freien Würfe reduziert werden. Das verspricht den meisten Erfolg. Wenn ein Gegner wirft geht der Verteidiger mit hoch, streckt einen Arm und versucht den Wurf zu erschweren. Er sollte ein Foul aber unbedingt vermeiden. An einem guten Abend wird ein Werfer vielleicht 50% Trefferquote aus dem Feld haben, aber 80% von der Freiwurflinie. Also lieber aus dem Feld werfen lassen, als – nach einem Foul – ungehindert von der Freiwurflinie.
Martin: Auf was soll der Spieler achten, wenn sein direkter Gegenspieler geworfen hat?
Marco: Das hängt wieder von seiner Rolle im Team ab und von den Regeln des Coaches. Entweder er boxt aus, er versucht zu antizipieren und positioniert sich da wo der Ball höchstwahrscheinlich herunterkommen wird oder er positioniert sich im Outlet. Vieles ist möglich und hängt eben davon ab, wie es vom Coach gewünscht ist.
Martin: Im Basketball wird nicht auf allen Positionen gleich verteidigt. Was sind für dich die Schwerpunkte bei Guard, Forward und Center Verteidigung?
Marco: Mensch Martin, ich liebe ja weitgefasste Fragen, aber darüber könnte ich ja schon fast ein Buch schreiben. Also ich werde sicherlich nicht auf die Details eingehen können. Das ließe sich ohnehin sehr schwer beschreiben, aber ich versuche mal mein Glück.
Bei den kleinen Positionen (1,2 und 3) steht mehr die Verteidigung am Ball im Vordergrund. Die Verteidigungsarbeit ist hier sehr laufintensiv, bei den Centern eher sehr kräfteintensiv, es sei denn die Center verbringen einen großen Teil der Offense als Passstation an der Dreierlinie, was man ja auch immer öfter sieht. Während die kleinen Positionen immer mit tiefem Schwerpunkt arbeiten müssen, geht es bei den Centern mehr um Kraft und den Positionskampf. Wo sich groß und klein dann in der Defense treffen, sind die Blocksituationen. Hier kommt es zu einem wichtigen Faktor. Die Kommunikation. Wenn die in der Defense nicht vorhanden ist, wird eine Defense nicht erfolgreich sein. Im Prinzip ist Defense spielen eine ewige Flickschusterei. Ständig kommt die Defense in Situationen, die nicht geplant waren, aber dennoch passieren. Einfachstes Beispiel. Ein Spieler mit Ball zieht an seinem Gegner vorbei. Also muss die Helpside aktiv werden und die Situation retten. Nächstes Beispiel. Nach einer Blocksituation gibt es ein Missmatch. Also muss das ganze Team nun die Situation retten, da auf zwei Positionen ein ungleiches Verhältnis von Offense zu Defense entstanden ist. Das könnte man nun beliebig fortführen. Festzuhalten bleibt aber das eine gute Kommunikation die Basis einer jeden Defense sein sollte.
Ich glaube an dieser Stelle sollten wir zur nächsten Fragen übergehen, auch wenn ich diese nicht ausreichend beantwortet habe, aber es gäbe zu viel zu sagen zu den einzelnen Positionen. Ich würde mich dann nur verzetteln und ohne das sehen zu können würde es den Lesern auch schwer fallen dem folgen zu können.
Martin: Ok, gar kein Problem. Was denkst du über die folgende These? „Defense und Rebound sind zu einem großen Teil Einstellungssache!“
Marco: Stimmt nicht und stimmt. Defense ist sicherlich erheblich mehr als nur Einstellungssache, dafür ist die Defense im Allgemeinen auch zu Komplex. Hier geht es um Kondition, Antizipationsvermögen, Technik usw. Beim Rebounding gebe ich dir aber recht. Hochzuspringen und einen Ball zu fangen sollte keinen vor unlösbare Probleme stellen.
Martin: Hast Du einen schönen Defensedrill, den Du unseren Lesern empfehlen kannst?
Marco: Sogar ein ganzes Buch voll. Das heißt: Basketball: Anspruchsvolle Übungen für ein abwechselungsreiches Training. Na gut, ich sehe schon. Das rettet mich jetzt nicht.
Diesen Drill halte ich für ganz gut und auch bei Jugendteams für durchführbar:
- Link zum Defense_drill
Martin: Um seinen Gegenspieler gut verteidigen zu können, kann es nie schaden wenn man als Verteidiger die Eigenschaften und Stärken des Gegenspielers kennt (Rechts- oder Linkshänder, Welche Moves kann er besonders gut, Von welcher Position trifft er besonders gut?). Auf was muss der Spieler selber achten und was sollte ihm der Coach sagen?
Marco: Prinzipiell sollte ein Spieler auf nichts achten. Für das Scouting ist der Coach zuständig und der sagt seinen Spielern dann worauf sie achten sollten. Die Spieler sollten sich auf das Spiel und die vorgegebene Umsetzung konzentrieren. Einfache Dinge wie die Tatsache, dass ein Spieler Linkshänder oder Rechtshänder ist sehen die Spieler natürlich von alleine ab einem gewissen Niveau. Es schadet trotzdem nicht alle Fakten und seien sie noch so offensichtlich in den Scouting Report mit aufzunehmen.
Martin: Ein Thema ist auch die Transition. Wann endet die eigene Offense und wann fängt die Defense an? Gab es etwas Spezielles bei dir, was deine Spielerinnen dann machen mussten?
Marco: Die Offense endet, wenn der Ball im Korb ist oder das gegnerische Team, durch welche Aktion auch immer, Ballkontrolle erlangt hat. Von da an heißt es für die Spieler auf Defense umzuschalten.
Wir konnte uns den Luxus leider nicht leisten den Rebounder noch zu verteidigen, um den Outlet-Pass zu erschweren und somit den Fastbreak zu unterbinden. Meine Spielerinnen waren zu klein und hätten fast mühelos überpasst werden können. Von daher galt für uns nur schnell zurücklaufen oder bei einer Presse schnell die zugewiesene Position einzunehmen. Letzteres kam aber sehr sehr selten vor. Wenn wir gepresst haben, dann nach einem erfolgreichen Korb.
Martin: Aus früheren Zeiten hält sich ja zumindest bei „Basketballzuschauern“ noch das Gerücht vom körperlosen Spiel. Dass das wohl nicht mehr zutrifft, weiß wohl jeder, der selber Basketball spielt oder mal genauer zugeschaut hat. Wie viel Körperkontakt darf es denn deiner Meinung nach sein, damit es noch als Basketball und nicht als Ringen durchgeht? Wie bringt man diesen Punkt seinen Spielern näher und welchen Einfluss haben die Schiedsrichter auf die Verteidigung?
Marco: Der Coach ist ganz eindeutig für die Vorgaben in der Defense zuständig. Wobei man bei den Kontakten noch in gewollte Kontakte mit Foul z.B. Fastbreak unterbinden oder einfachen Korbleger, gewollte Kontakte ohne Foul z.B. harte Defense am Ball oder Aufnehmen eines Offense-Fouls und ungewollte Kontakte z.B. auf einen Fake reinfallen und dann unglücklich foulen unterscheiden muss. Die wichtigste Regel bei mir war: „Verteidige mit den Beinen und nicht mit den Armen“. Es war bei mir kein Reaching, Nachschlagen oder auf den Ball schlagen erlaubt. Steals werden zu 80% abseits des Balles geholt. Zum Beispiel durch einen abgefangenen schlechten Pass und in den seltensten Fällen direkt am ballführenden Spieler. Mich hat es fürchterlich geärgert, wenn wir den Ball im Vorfeld durch ein gutes Trapping stoppen konnten und dann eine meiner Spielerinnen das Foul bekam, weil sie der Verlockung nicht wiederstehen konnte und nach dem Ball griff / schlug oder was auch immer. Selbst wenn es kein Foul war, ist die Situation von den drei Spielern so beengt, dass die meisten Schiris immer auf Foul entscheiden werden, auch wenn sie die Situation nicht richtig einsehen konnten.
Bedauerlicherweise wird meiner Meinung nach viel zu viel Körperkontakt zugelassen, der nicht zum Basketball gehört. Mit dem Bumpen hatten wir ja schon ein Beispiel. Auch das ständige Touching an der Hüfte des Ball vortragenden Spielers gehört unterbunden, da es per Reglement verboten ist.
Art 33.4: „Once the defensive player has established an initial legal guarding position, he may move to guard his opponent, but he may not extend his arms, shoulders, hips or legs to prevent the dribbler from passing by him“
Gepfiffen wird das aber nur sehr selten. Es schadet dem Spiel ab mehr, als das irgendjemandem nutzt. Die Defense darf hier eindeutig zu viel machen.
Auf der anderen Seite möchte ich folgendes Beispiel anführen. Ein Spieler geht zum Korbleger hoch, springt nach vorne an und landet in einem Verteidiger, der dort rechtzeitig stand. Entscheidung der Schiedsrichter: Offense-Foul. Nun nehmen wir die gleiche Situation, jedoch springt der Verteidiger innerhalb seines Zylinders hoch. Er war wieder rechtzeitig positioniert. Wer bekommt nun das Foul? In 90% der Fälle der Verteidiger. Was völlig unlogisch ist, da der Verteidiger sich weiterhin in seinem Zylinder aufhält und den Kontakt auch weiterhin mit dem Oberkörper aufnimmt.
Als letztes möchte ich noch ein Beispiel für Center aufführen. Ein Center bekommt den Ball mit dem Rücken zum Korb im Mid-Post. Dahinter ist der Verteidiger positioniert. Der Angreifer macht nun zwei Dribblings in die Defense (was meist auch mit der Schulter voran geschieht und von daher ein Foul sein sollte) hört dann auf zu dribbeln und dreht sich vor dem Wurf zum Verteidiger hin ein. Dieser steht aufrecht und hat die Arme innerhalb seines Zylinders hoch über seinem Kopf. Aber. Bei diesem Eindrehen trifft der offensive Center meist den Verteidiger im Magen oder Solarplexus. Der Verteidiger wird durch den Schmerz sich nach vorne beugen, die Arme verlassen seinen Zylinder und der offensive Spieler wirft gegen die Arme des Verteidigers. Was machen die Schiedsrichter? Entscheiden fast immer auf Foul des Verteidigers. Viele von den eben genannten Dingen passieren auch in höheren Ligen immer wieder, obwohl man annehmen sollte, dass die Schiedsrichter dort besser sind.
Somit beeinflussen die Schiedsrichter, mit ihrer teilweise recht merkwürdigen Auffassung von Basketball und seinen Regeln, die Defense und damit das Spiel auch insgesamt.
Und als Team und Coach wird man sich immer auf die Linie der Schiedsrichter einstellen müssen. Daher habe ich in jeder Spielbesprechung vor dem Spiel auch was zu den Schiedsrichtern gesagt.
Martin: Zum Schluss: Was würdest Du einem Spieler in drei Sätzen sagen, wie man im Basketball verteidigen muss?
Marco: Das kann ich sogar in einem Satz sagen: „Verteidige deinen Gegenspieler auf die Art und Weise, wie du selber auf gar keinen Fall verteidigt werden möchtest.“
Martin: Vielen Dank für das unterhaltsame Interview. Das war ja ein hartes Stück Arbeit heute.
Marco: Ich danke auch. Ja, heute haben wir richtig Überstunden produziert. Kann ich die eigentlich abbummeln? (grinst dabei)
Martin: Ja, du hast jetzt einen Monat Pause bis zum nächsten Interview. Das sollte ja wohl reichen. (grinst ebenfalls)